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Der perfekte Mann

Sie war immer auf der Suche nach dem perfekten Mann. Endlich hat Emily das Glück ihres Lebens gefunden. Aber in dieser wendungsreichen Liebesgeschichte kommt alles anders als man denkt ...

Ihr Herz klopfte vor Aufregung, als sie sich bei „LoveConnect“ anmeldete.

Emily hatte viele Jahre damit verbracht, auf die perfekte Liebe zu warten. Ihre Freunde hatten sich längst in Beziehungen gefunden, während sie sich immer einsamer fühlte.
Es hätte fast mit Klaus geklappt, einem guten Freund noch aus der Schulzeit, den sie immer mal wieder traf. Sie wusste das er mehr als nur oberflächliches Interesse hatte, aber Emily war immer auf der Suche nach ihrem imaginären Traummann. Alles sollte perfekt sein, wenn sie eine Beziehung eingehen würde. Schon ein Muttermal im Gesicht konnte sie als störend empfinden, so dass der Typ keine Chance bei ihr hatte.
Schließlich entschied sie sich, Online-Dating auszuprobieren. Überwältigt von der Auswahl an attraktiven Männern blätterte sie sich durch den Online-Katalog. Aber wie im richtigen Leben, fand sie immer wieder einen Makel, der sie zögern ließ. Nach jedem kritischen Durchsch
auen ihrer Favoritenliste wurde die Auswahl immer kleiner, bis nur noch einer überblieb … Daniel … der könnte es sein!

Optisch stimmte schon mal alles. Die schwarzen, kurzgeschnittenen Haare harmonierten mit dem gepflegten 3-Tage-Bart und betonten die markanten Gesichtszüge und sein einnehmendes Lächeln lässt tadellos weiße Zähne in einem gebräunten Gesicht aufblitzen. Schon nach einigen Chats mit ihm befand sie, dass Daniel perfekt ihren Vorstellungen entsprach. Denn zum Aussehen kamen weitere Attribute, auf die sie Wert legte; charmant, zuvorkommend, redegewandt, erfolgreich tätig in der Finanzbranche, immer gut gekleidet. In ihrer imaginären Checkliste setzte sie einen Haken nach dem anderen.

Sie verstanden sich auf Anhieb blendend, verliebten sich schon nach wenigen Treffen und sahen sich mittlerweile fast jeden Tag, Emily fand sich im siebten Himmel wieder. Ihr tristes Leben wurde kunterbunt. Sie unternahmen so viele Dinge … Bars, Restaurants, Jahrmarkt, Museum, Konzerte, Spaziergänge am Wasser, alles Aktivitäten, wofür sie Jahre brauchte, die nun in Zeitraffer neues Leben in sie einhauchten. Sie bemerkte ganz andere Seiten an sich, wie sie einem Menschen doch bedingungsvoll vertrauen konnte; wie anschmiegsam sie sein konnte, so wie eine schnorrende Katze, wie Daniel anmerkte und welche Leidenschaft sie beim Sex entwickelte.
Fortan ging sie mit einem Lächeln auf den Lippen durch das Leben.

Aufgeregt erzählte sie Klaus von ihrer großen Liebe, der etwas zurückhaltend reagierte, ihr aber gratulierte.

Ein kleines bisschen störte sie zwar, dass Daniel nicht mehr so spendabel war, wie anfangs,  sondern sie teilten sich nun die Rechnung im Restaurant oder den Eintritt ins Konzert. Eine kleine Macke wollte sie ihrem Traummann aber gerne verzeihen, schließlich arbeitet er in der Finanzbranche, es gehört zu seiner DNA mit Geld bewusst umzugehen.

Schon nach 4 Wochen schlug Daniel vor, dass er doch bei Emily einziehen könne, groß genug wäre ja ihre Wohnung.  Für Emily war es überraschend, aber sie war vollends entschlossen, Daniel nie wieder herzugeben.
Und es war traumhaft. Jeden Morgen wurde sie mit einem zärtlichen Kuss sanft aus dem Schlaf geholt. Da er später als sie zur Arbeit musste, bereitete er ihr das Frühstück und verabschiedete sie mit einer innigen Umarmung, wenn sie los musste. Und meistens, wenn Emily von der Arbeit gestresst nach Hause kam, war das Essen schon vorbereitet, so dass sie sich nur noch setzen musste. Zum Einkaufen schaffte er es zeitlich zwar nie, aber wenn sie beide daheim waren, widmete er ihr all seine Zeit.  Vor dem Schlafengehen gab es eine ausgiebige Rückenmassage und meistens wurde mehr daraus.
Manchmal kniff sie sich, um sicher zu sein, dass sie nicht träumte.


Eines Wochenendes beschlossen sie, den Tag einfach nur im Bett zu verbringen, den ganzen Sonntag nur kuscheln, was essen und Netflix schauen. Nach einem ausgedehnten Frühstück, dass Daniel servierte, liebten sie sich bis in die späten Mittagsstunden. Sie ließen einfach nicht voneinander ab.
Als Emily erschöpft, aber glücklich, auf seiner Brust mit dem Kopf liegend die Geborgenheit genoss, fragte er sie fast beiläufig: „Kannst du mir vorübergehend 15.000 EUR leihen, natürlich mit fetter Gewinnbeteiligung. Ich habe gerade mein ganzes Geld gut investiert, aber diesen Deal sollten wir uns nicht entgehen lassen“. Schwärmend erklärte er Emily die Details. Sie war skeptisch, wollte aber Daniel auf keinen Fall enttäuschen, zu groß war ihr Glück, endlich mit dem Mann ihres Lebens zusammenzuleben. Zudem waren die Gewinnerwartungen verlockend.

Sie besorgte am Montag das Geld, ihr ganzes Erspartes und etwas vom Dispo. Als sie mit dem Geld nach Hause kam, erwartete Emily eine Überraschung. Sie betrat eine abgedunkelte Wohnung, nur mit Kerzen erleuchtet, die ihr den Weg zum Esstisch geleiteten, wo Daniel ein aufwendiges Candlelight-Dinner aufgedeckt hatte. Nach dem letzten Gang füllte er die Champagnergläser mit den Worten „Auf gute Geschäfte und auf unsere Zukunft. Ich liebe dich!“ Sie nippten, um sich gleich darauf heftig zu küssen. „Jetzt folge weiter den Weg der Kerzen“, sagte er verheißungsvoll. Der erleuchtete Weg führte sie direkt ins Schlafzimmer, wo eine ausschweifende Liebesnacht ihren Lauf nahm.

Klaus erzählte sie natürlich nicht alle Details, aber als sie ihn überglücklich anrief, konnte sie nicht verstehen, dass Klaus  ihren neuen Freund vom Hörensagen nicht so richtig mochte, er sie sogar vor ihm warnte. „Er ist wohl neidisch, hat wohl gerade keine Freundin“, sagte sie zu sich selbst, „ich werde den Kontakt vorerst beenden.“

Doch nach ein paar Tagen begann Emily das Gefühl zu haben, dass Daniel sich veränderte. Er wurde distanzierter, kam nun oft später nach Hause, war müde von der Arbeit, von der sie nur wenig wusste. Es war, als ob er in ihrem Leben nur noch präsent war, wenn es ihm passte.

Es hatte lange gedauert, aber Emily wurde skeptisch.  Irgendwann hörte sie Daniel im Nebenraum flüstern. Gerade noch bekam sie mit, wie er sanftmütig sagte „OK, bis gleich. Freu mich auf dich“. Schon ging die Tür auf, das Handy verstaute er hektisch in seiner Jacke und gab ihr oberflächlich einen Kuss auf die Wange „Muss los. Wichtiger Deal. Bis später. Liebe dich.“ Weg war er und Emily stand da, traurig, wütend, alleingelassen, mit Tränen in den Augen.
Durch den Tränenschleier hindurch nahm sie verschwommen den aufgeklappten Laptop auf dem Beistelltisch wahr, den er beim eiligen Aufbruch offensichtlich vergaß. Der Monitor flimmerte. Instinktiv stürzte sie sich auf den Laptop, drückte schnell irgendeine Taste, gerade noch rechtzeitig bevor die Bildschirmsperre einsetzen würde. 
Mit dem Laptop auf dem Schoß klickte sie sich wahllos durch ein paar uninteressante Ordner, bis sie das Email-Programm öffnete. Fast erstarrt vor Schreck klickte sie sich durch Emails, mal von einer Susi, einer Valerie, Sandra, oder Moni und, und, und. Offensichtlich war David, oder Alexander oder Benjamin, wie er sich in den Mails nannte, bei allen gängigen Datingportalen angemeldet, hatte Flirts und Dates mit vielen Frauen. Die einen offenbarten ihm ihre große Liebe, die anderen beteuerten, wie toll doch der Sex war und dann gab es noch solche, da ging es nur ums Geld.  Seine Antworten immer zu den Zeiten, als Emily arbeitete, nicht zu Hause war.

Sie ging weiter die Liste durch. Wanja, Sabrina und … ihre Finger zitterten beim Öffnen der nächsten Email …Klaus. Klaus Gebhard, ihr Dauerfreund aus Schulzeiten. Sie verstand nichts mehr, begann hastig zu lesen.
„Emily liebt dich, aber du Schwein nutzt sie aus. Ich habe dich beobachtet, statt zur Arbeit zu gehen, triffst du dich mit anderen Frauen, versprichst ihnen das Blaue vom Himmel. Vögelst sie sogar in Emilies Wohnung. Ich liebe Emily von ganzen Herzen, all die vielen Jahre, seit ich sie in der Schulzeit kennengelernt habe. Ich werde es nicht dulden, wie du ihr Schaden zufügst. Emily ist gutgläubig und ein leichtes Opfer für dich. Ich habe sie gewarnt, aber sie will es nicht wissen. Machst du sie unglücklich, mach ich dich fertig!“

Woher hatte Klaus die Email-Adresse? Aber egal, sie realisierte nun endgültig, Daniel hatte sie betrogen und ausgenutzt. Klaus hatte recht mit seiner Wahrnehmung und Warnung. Sie fühlte sich gerührt von Klaus, wie er sich doch so tapfer für sie einsetzt. Klaus, ein wahrer Held! Inmitten des Chaos und des Schmerzes hatte sie ihre wahre Liebe entdeckt. Denn es ist doch egal, ob er eine krumme Nase hat, es ist doch sowas vonegal ,dass seine  Klamottenzusammenstellung katastrophal ist. Er ist trotzdem der perfekte Mann. Weil er mich liebt, weil er alles für mich tut, weil er in schweren Zeiten immer mir zur Seite stand. Das alles hat Klaus mit seinen Taten bewiesen.

Sie musste sich jetzt besinnen und hatte viel, sehr viel mit Klaus zu besprechen, in inniger Hoffnung, er würde sie nicht zurückweisen.

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